27. Juli 2024

Meine Gedanken zur Schulöffnung im Januar

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Diese Woche entscheidet sich, wie es mit den bayerischen Schulen und Kitas am 11. Januar weitergehen wird. Die Länderchefs werden erneut mit Kanzlerin Merkel zusammenkommen, um das Vorgehen in der Pandemie zu beschließen. Bereits vor dem Treffen hat es am 02.01. eine Videoschalte gegeben, in der wohl eine Verlängerung des Lockdowns beschlossen wurde.

England und B117 – Gewerkschaft fordert Schließung

In England steigen die Zahlen trotz Lockdown drastisch. Stand heute sind sowohl Inzidenz (>500), Neuinfektionen (knapp 60000) als auch Letalitätsrate (2,9%) weitab von allem, was ein Gesundheitssystem verkraften könnte. Verantwortlich gemacht wird dafür vor allem die neue Mutation B117, die für eine ca. 50% höhere Infektionswahrscheinlichkeit sorgt. Im Großraum London infizieren sich mittlerweile scheinbar mehr als 80% der Menschen mit der neuen Variante. Es herrscht wieder exponentielles Wachstum mit all den leidigen Folgen: Überlastung des Gesundheitssystems, fehlenden Fachkräften, fehlenden Kapazitäten, drohender Triage. BBC berichtet von einer Studie, nach der der Mutant die Reporduktionszahl um den Wert 0,7 erhöhen kann und alle Altersgruppen gleichmäßig befällt.

National Education Union, die größte Lehrergewerkschaft in England, fordert deshalb eine Schließung aller staatlichen Schulen für mindestens 2 Wochen und ruft ihre Mitglieder dazu auf, die Schulleitungen mit einem zur Verfügung gestelltem Brief zu informieren, dass man nur von zu Hause aus arbeiten werde.

Lehrergewerkschaft National Education Union: https://neu.org.uk/january-advice

B117 in Deutschland nachgewiesen

Wir wissen nicht, ob und wie weit sich die neue Variante des Virus in Deutschland bereits verbreitet hat. Nachgewiesen wurde es in einem Fall bei einer Rückkehrerin aus England kurz vor Weihnachten. Auch in Frankreich, Spanien, Schweden, Italien und Japan wurde die Mutation mittels Gensequenzierungen nachgewiesen. Diese Sequenzierungen finden in Deutschland aber kaum statt. Will man ein Szenario wie in England verhindern, muss man so schnell wie möglich die Kontrolle über das Virus zurückerlangen. Dazu braucht es Inzidenzwerte, die eine konsequente Verfolgung der Infektionsketten wieder möglich machen. Die Impfung ist die Lösung, wird aber gesamtgesellschaftlich wohl auch aufgrund der Verfügbarkeit ihre Wirkung erst im zweiten Halbjahr des Jahres entfalten können.Es ist demnach ein Wettlauf mit der Zeit und bis zum Ziel sollte man im Sinne all der Menschen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf standhaft bleiben.

Konsequenzen für Schulen

Es ist vollkommen richtig, dass geschlossene Schulen und Kitas ein großes Problem für sehr viele Menschen darstellen. Die Schlagworte „Wirtschaft“, „Bildungsgerechtigkeit“, „Hygienekonzepte“ und „Pandemietreiber“ klingeln mir schon wieder in den Ohren. Was leider auch Tatsache ist: Von dem, was in der Praxis alles möglich wäre (Präsenzunterricht in kleinen Gruppen, Study Hall-Konzepte, personelle Unterstützung durch Studenten, Eltern etc, Konzepte zum Wechselunterricht und Fernunterricht) scheint in der Breite kaum etwas angekommen zu sein. Wie auch, wenn in den Kultusministerien Menschen sitzen, die längst den Bezug zur Praxis und zur Realität verloren zu haben scheinen oder gar nie hatten.


Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass es unabdingbar ist, sich an die Empfehlungen des RKI zu halten, will man ernsthaft die Inzidenzen wieder senken. Das Geschehen in England macht mir gerade große Sorgen und es verwundert mich, dass es in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle zu spielen scheint. Auf Twitter sieht das in meiner Bubble definitiv anders aus. Schulen einfach wieder zu öffnen wäre absolut verantwortungslos, vor allem weil mittlerweile jedem klar sein muss, dass Infektionen in Schulen stattfinden. Es muss das Ziel sein, die Inzidenzen unter 50 zu bekommen – ohne wenn und aber und mit allen nötigen Konsequenzen auch für Schulen. Gemäß der Inzidenzwerte in Deutschland würde das entsprechend des RKI-Stufenplans beinahe überall weitere Schulschließungen bedeuten.

Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie

Was Politik jetzt leisten muss

Politik hat in den letzten Tage, Wochen und Monaten unglaublich an Glaubwürdigkeit verloren. Nicht zuletzt die Aussagen von Eisenmann, unabhängig von Inzidenzen alle Schulen wieder öffnen zu wollen, oder die Ungereimtheiten um Schulsenator Rabe, der weiter munter verkündete, dass Schulen sicher seien, obwohl ihm die Studie eines Ausbruchs an einer Schule längst bekannt war, werfen ein zweifelhaftes Licht auf die Entscheidungsträger. Ich fordere deshalb auch Transparenz. Es darf nicht sein, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgehalten oder Aussagen von Expertinnen und Experten verfälscht werden, um eigene Positionen zu stärken. Das ist schäbig.

Aufgabe der Politik ist es weiterhin, die negativen Auswirkungen von Schulschließungen abzufedern und abzumildern, Schulen entsprechende Unterstützung zuzusagen, sie für die schulisch oft individuellen Probleme auch eigene Lösungen finden zu lassen und dort Ressourcen bereitzustellen, wo Menschen sie dringend brauchen. Den Rahmen zu stecken hinsichtlich Stofffülle, Prüfungsformaten, Übertritten, Beurteilungen und überall da, wo Schulschließungen und Distanzunterrichtsangebote nicht fruchten können, weil die entsprechenden Rahmenbedingungen fehlen, Interventionsmöglichkeiten anzubieten. Denn: Leidtragende der Schulschließungen sind vor allem diejenigen, die eben nicht aus gut ausgestatteten Elternhäusern und Schulen kommen und während der Schulschließungen vor allem gefährdet sind, verloren zu gehen. Maßnahmen könnten beispielsweise in sozialen Brennpunkten auch Ausnahmen bedeuten. Präsenzgruppen beispielsweise, die durch eine enge Zusammenarbeit von Schule, Tagesstätten und Sozialarbeit Bildungs- und Betreuungsangebote unter Berücksichtigung angemessener Infektionsschutzmaßnahmen erhalten. Schulen sollten stark sein in dieser Pandemie – seit Monaten sind sie in der Breite abhängig von zentralen Entscheidungen, die in der Regel meist undurchsichtig, viel zu spontan und reaktiv, vor allem riskant und niemals innovativ oder nachhaltig waren.

Politik sollte vor allem beginnen langfristig ihre tradierten Konzepte zu überarbeiten, anstatt jetzt scheinheilig das Argument der Bildungsgerechtigkeit ins Feld zu führen: Denn Corona legt lediglich das Brennglas auf ein bereits auf Bildungsungerechtigkeit ausgelegtes Bildungssystem, dessen Antlitz in einer bereits digitalisierten Welt unter diesem Brennglas einem Dinsoaurier ähnelt.

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